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Public Health

Überwachung und Frühwarnung

In unserer globalisierten Welt können sich übertragbare Krankheiten schnell von einem Land in andere Länder ausbreiten. Die frühzeitige Erkennung von Gesundheitsgefahren erfordert eine kontinuierliche und genaue Überwachung sowie Frühwarn- und Reaktionsmechanismen. 

Die EU hat Strukturen eingerichtet, die einen raschen Informationsaustausch zwischen den Gesundheitsbehörden der Mitgliedstaaten und globalen Gremien wie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ermöglichen, wodurch eine Gefahr so früh wie möglich erkannt werden kann.

Überwachung von Infektionskrankheiten und anderen Gesundheitsgefahren

Überwachungssysteme liefern Informationen für die Verfolgung von Trends bei übertragbaren Krankheiten und tragen zur Erkennung von Risikofaktoren sowie zur Ermittlung von Bereichen bei, in denen ein Eingreifen erforderlich ist. Diese Informationen ermöglichen es, Prioritäten für Präventionsprogramme zu setzen, sie zu planen, umzusetzen und ihnen Mittel zuzuweisen sowie Präventionsprogramme und Kontrollmaßnahmen zu bewerten.

Mit der Entscheidung Nr. 2119/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates wurde ein Netz für die epidemiologische Überwachung und die Kontrolle übertragbarer Krankheiten geschaffen.

Die Entscheidung Nr. 2119/98/EG wurde aufgehoben und durch den Beschluss Nr. 1082/2013/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2013 zu schwerwiegenden grenzüberschreitenden Gesundheitsgefahren ersetzt. Der neue Beschluss hob erneut die Bedeutung des Netzes für die epidemiologische Überwachung übertragbarer Krankheiten und damit zusammenhängender besonderer Gesundheitsrisiken hervor.

Das Netz umfasst die Kommission, das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) und die auf nationaler Ebene für die epidemiologische Überwachung zuständigen Behörden. Es wird vom ECDC betrieben und koordiniert.

Mit der neuen Verordnung (EU) 2022/2371 zu schwerwiegenden grenzüberschreitenden Gesundheitsgefahren wurde der Beschluss 1082/2013/EU aufgehoben und ersetzt. Das europäische Netz für epidemiologische Überwachung wird dadurch erhalten und umfassend ausgebaut. Es wird weiterhin vom ECDC betrieben und koordiniert.

Überarbeitete Liste der Infektionskrankheiten

Etwa 50 Krankheiten und besondere Gesundheitsrisiken wie antimikrobielle Resistenzen werden über das EU-Netz für epidemiologische Überwachung beobachtet: von Anthrax bis Zikafieber.  Diese Liste wurde zuletzt 2018 mit dem Durchführungsbeschluss (EU) 2018/945 der Kommission aktualisiert, als Lyme-Neuroborreliose, Dengue, Zikafieber und Chikungunya in die Liste aufgenommen wurden.

Mit dem Beschluss wurden auch die Falldefinitionen für mehrere andere übertragbare Krankheiten und damit zusammenhängende Gesundheitsrisiken wie antimikrobielle Resistenzen (AMR) und therapieassoziierte Infektionen (HAI) überarbeitet. Die Liste entspricht den WHO-Klassifikationen.

Mit der Verordnung (EU) 2022/2371 wird die Kommission ermächtigt, die Liste übertragbarer Krankheiten und damit zusammenhängender besonderer Gesundheitsrisiken, z. B. antimikrobielle Resistenz, erneut zu aktualisieren, um ihre Erfassung durch das Netz zur epidemiologischen Überwachung sicherzustellen.

Die Kommission legt auch Falldefinitionen für jede übertragbare Krankheit fest, die von den Mitgliedstaaten für die Überwachung und Berichterstattung an das ECDC genutzt werden, wodurch die Vergleichbarkeit und Kompatibilität der auf Unionsebene erhobenen Daten gewährleistet wird.

Andere Arten von Gefahren erfordern andere Ansätze bei der Überwachung zur Ermittlung von Trends und Änderungen an den Risikoprofilen. Die Kommission steht mit den zuständigen EU-Agenturen und den Behörden der EU-Länder in Kontakt, um zu gewährleisten, dass die Vorsorgepläne den sich ändernden Gefahren angepasst werden.

EU-Referenzlaboratorien für die öffentliche Gesundheit

Mit der Verordnung (EU) 2022/2371 über schwerwiegende grenzüberschreitende Gesundheitsgefahren wurde ein rechtliches Mandat für die Einrichtung von EU-Referenzlaboratorien (EURL)für die öffentliche Gesundheit eingeführt. Die Referenzlaboratorien im Bereich der öffentlichen Gesundheit sollten die nationalen Referenzlaboratorien dabei unterstützen, bewährte Verfahren und die Angleichung der Mitgliedstaaten auf freiwilliger Basis in den Bereichen Diagnose, Testmethoden und Verwendung bestimmter Tests für die einheitliche Überwachung und Meldung von Krankheiten sowie Berichterstattung zu fördern.
 
Die Europäische Kommission kann EURL im Wege von Durchführungsrechtsakten benennen. Die ersten EURL wurden im März 2024 benannt.

Diese Referenzlaboratorien decken die nachstehenden Krankheiten oder Gesundheitsrisiken ab:

  • EURL für antimikrobielle Resistenzen (AMR) von Bakterien
  • EURL für vektorübertragene virale Krankheitserreger
  • EURL für neu auftretende, durch Nagetiere übertragene und zoonotische virale Krankheitserreger
  • EURL für hochgradig gefährliche, neu auftretende und zoonotische bakterielle Krankheitserreger
  • EURL für Legionella
  • EURL für Diphtherie und Pertussis

Frühwarn- und Reaktionssystem (EWRS)

Das EWRS ist ein EU-weites Schnellwarnsystem zur Meldung schwerwiegender grenzüberschreitender Gesundheitsgefahren. Dieses webgestützte System zum vertraulichen Austausch von Informationen ermöglicht eine regelmäßige Kommunikation zwischen der Europäischen Kommission und den auf nationaler Ebene zuständigen Behörden („für das EWRS zuständige Behörden“).

Die EU-Länder können so rechtzeitig und auf sichere Weise auf schwerwiegende grenzüberschreitende Gesundheitsgefahren reagieren; sie können Warnungen übermitteln, Informationen austauschen und nationale Maßnahmen koordinieren.

Eigentümer des Systems ist die Europäische Kommission, während das ECDC die IT-Plattform betreibt Das EWRS wurde erfolgreich genutzt, um auf das grenzüberschreitende Auftreten übertragbarer Krankheiten zu reagieren, Informationen auszutauschen und Maßnahmen zu koordinieren. So konnten aktuelle und frühere Ausbrüche wie COVID-19, Affenpocken, pandemische Influenza A(H1N1), Ebola usw. kontrolliert werden.

Das EWRS-System funktioniert für alle Bedrohungen, auch biologische und Umweltgefahren, durch unbekannte Chemikalien verursachte Risiken, extreme Wetterereignisse, Vulkanaschewolken, Chemieunfälle oder Biotoxine.

Für das EWRS gelten strenge Vorschriften, auch hinsichtlich der Verwaltung personenbezogener Daten. Im Durchführungsbeschluss (EU) 2017/253 der Kommission sind die Verfahren für die Übermittlung von Warnmeldungen im Rahmen des EWRS und für den Informationsaustausch, die Konsultation und die Koordinierung der Reaktion auf grenzüberschreitende Gesundheitsgefahren festgelegt.

Die Empfehlung (EU) 2017/1140 der Kommission enthält außerdem Vorschriften betreffend personenbezogene Daten, die über das Frühwarn- und Reaktionssystem (EWRS) ausgetauscht werden dürfen, um die Maßnahmen zur Ermittlung von Kontaktpersonen im Zusammenhang mit schwerwiegenden grenzüberschreitenden Gesundheitsgefahren zu koordinieren. Diese Rechtsakte, in denen die EWRS-Verfahren festgelegt sind, werden im Rahme der Annahme der neuen Verordnung (EU) 2022/2371 aktualisiert.

Angesichts der Lehren aus COVID-19 und der neuen Verordnung (EU) 2022/2371, die vorsieht, dass die EWRS-Plattform die Meldung aller Gefahren unterstützt, werden derzeit neue Entwicklungen im Rahmen des EWRS vorbereitet.

Das EWRS sollte ferner den Austausch von Maßnahmen im Bereich öffentliche Gesundheit, Risikobewertung und Krisenmanagement zulassen, z. B. solche, die den Austausch personenbezogener Gesundheitsdaten erfordern, sodass eine effiziente digitale und grenzüberschreitende Kontaktnachverfolgung und medizinische Evakuierungen möglich werden.

Nach dem erweiterten Mandat des ECDC muss auch das EWRS mithilfe moderner Technologien, künstlicher Intelligenz, weltraumgestützter Anwendungen, anderer Technologien für digitalisierte Instrumente zur Kontaktnachverfolgung usw. kontinuierlich aktualisiert werden.

Wann und wie wird das EWRS aktiviert?

Die für das EWRS zuständigen Behörden oder die Europäische Kommission übermitteln eine Warnmeldung, wenn eine schwerwiegende grenzüberschreitende Gesundheitsgefahr

  • für den betreffenden Ort oder Zeitpunkt ungewöhnlich oder unerwartet ist,
  • für eine erhebliche Morbidität oder Mortalität verantwortlich ist oder rasch anwächst,
  • die nationalen Reaktionskapazitäten überschreitet und mehr als ein EU-Land betrifft,
  • und eine koordinierte Reaktion auf Unionsebene erfordert.

Die Warnmeldungen werden spätestens 24 Stunden nach dem Zeitpunkt übermittelt, zu dem das EU-Land oder die Kommission erstmals auf die Gefahr aufmerksam werden. Zum Beispiel wurde die erste Meldung über das später als SARS-CoV-2 bekannte Phänomen – das Virus, das COVID-19 auslöst – bereits am 9. Januar 2020 von der Kommission veröffentlicht, also nur wenige Tage, nachdem China auf ein unbekanntes Virus hingewiesen hatte.

Während der Bekämpfung der COVID-19-Pandemie hat das EWRS den Austausch von Reiseformularen für die grenzüberschreitende Kontaktnachverfolgung unterstützt.  Die Kontaktnachverfolgung ist ein wichtiges Instrument für eine wirksame Eindämmung der Ansteckungen, mit dem möglicherweise infizierte Personen rasch identifiziert werden können, um sie zu isolieren, zu testen oder zu behandeln.

Dies wiederum trägt dazu bei, die Ausbreitung der Krankheit zu verhindern oder zu verlangsamen.  Der Austausch von Fluggastdaten über das EWRS wurde durch zwei Rechtsakte ermöglicht: